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Saalfelder Straße 6

04179 Leipzig-Lindenau

Bildinhalt: Saalfelder Str. 6 im Dez. 2020
Saalfelder Str. 6 im Dez. 2020

zur Geschichte (Kataster 6B):

aus dem Adreßbuch und Warenverzeichnis der chemischen Industrie des Deutschen Reichs, Band 3, Mückenberger-Verlag, 1888:
Chemische Fabrik Dr. Hugo Schöne in Leipzig-Lindenau
Eisenbahnstraße 6
Fabrikation von Maschinenölen und Maschinenfetten, Wagen- und Huffetten, Desinfectionsmitteln etc.
Inhaber: Dr. phil. Hugo Volkmar Schöne

Deutsche Apotheker-Zeitung, Band 12/1897:
Bericht "Von der sächsisch-thüringischen Industrie-Ausstellung in Leipzig":
Dr. Hugo Schöne, Leipzig-Lindenau: Parafinöle, Klauenfett, Harzöle

Chemische Fabrik Dr. Hugo Schöne

Der Eigentümer der Fa. Chemische Fabrik Dr. Hugo Schöne, Dr. phil. Volkmar Hugo Schöne, wohnte zugleich hier im Grundstück.

(Der Lacksiedemeister Richard Schöne wohnte 1905 in der Lindenauer Kaiser Wilhelm-Straße 11b.[1907-1947 Kaiserstraße, seit 1947 Endersstraße in Lindenau])

Zitat aus Rudolf Mothes, Erinnerungen, Teil D:
Familie Schöne und die Jagd
Eine Freundin meiner Mutter war Frau Selma Schöne, die Frau des Landesbrandversicherungs- inspektors Schöne. Sie gehörte zur Verwandtschaft der Druckereibesitzer Robert und Bruno Klinkhardt in Firma Julius Klinkhardt, mit deren Frauen meine Mutter gleichfalls befreundet war. Die Eheleute Schöne hatten eine Tochter, die einen Schirmfabrikanten in London heiratete, und drei Söhne. Von diesen studierte der älteste, Hugo, Chemie, der zweite wurde Berufsoffizier, der dritte, Richard, studierte Rechtswissenschaft und wurde Richter. Sie waren alle drei wesentlich älter als ich; trotzdem war ich mit den beiden älteren befreundet. Dr. phil. Hugo Schöne gründete an der Saalfelder Straße in Leipzig-Lindenau, dicht am Karl-Heine-Kanal, eine chemische Fabrik. Nachdem ich mich als Anwalt niedergelassen hatte, wurde er mein Klient. Er beschäftigte sich vorwiegend mit Petrolchemie und hatte einige Jahre vor dem Ersten Weltkriege sehr gute Jahresabschlüsse. Er kaufte sich damals von einem Herrn von Baerensprung das Rittergut Kleindöbbern bei Cottbus. Bei dem Kaufe selbst wirkte ich nicht mit. Als die Eheleute Baerensprung nach Abschluss des Kaufvertrages noch einen kupfernen Waschkessel ausbauten und ihn mitnehmen wollten, musste ich tätig werden. Dr. Schöne bestand darauf, dass ich mich jagdmäßig ausrüstete. Er begleitete mich in das Sportgeschäft von Matthias Müller in der Klostergasse und beriet mich beim Kaufe eines Drillings, der zwei Schrotläufe, einen mit zylindrischer Bohrung und einen mit Schockbohrung, sowie einen gezogenen Kugellauf hatte.
Das Rittergut Kleindöbbern hatte ein neuzeitliches Herrenhaus in Gestalt einer Villa im Park.
Darin richtete sich der Dr. Schöne zunächst nicht ein. Er wohnte vielmehr im sogenannten Kavalierhaus (Gästehaus). Im Frühjahr, wenn der Rehbock aufgeht, musste ich mit ihm nach Kleindöbbern fahren. Der Gutsverwalter schickte uns den Kutschwagen nach Cottbus an die Bahn. War Dr. Schöne schon vor mir nach Kleindöbbern gefahren, so holte er mich mit seinem Personenkraftwagen in Cottbus ab. Er war begeisterter Autofahrer auch schon, als man diese Fahrzeuge an der Stirnseite mit einer Kurbel anwarf, die gelegentlich garstig zurückschlug.
[...]
Dr. Hugo Schöne war als Gutsherr auch Kirchenpatron. Als Anhänger der naturwissenschaftlichen Weltanschauung hielt er sich in Leipzig nicht zur Kirche. In Kleindöbbern besuchte er die Gottesdienste des Ortspfarrers, der den wendischen Namen Kokett (Hahn) trug. An der Kanzel war in der kleinen Ortskirche noch die Sanduhr, der Seiger, angebracht, der in alten Zeiten ja auch noch, wie Goethe in seiner italienischen Reise berichtet, in den Gerichten zur Bemessung der Redezeit gebraucht wurde.
Ab und zu musste ich in Kleindöbbern juristisch tätig werden. Zwischen dem Gutsverwalter, dem Obermelker, dem Schweinemeister und dem Schafmeister kamen immer wieder Misshelligkeiten vor. Ich wies den Dr. Schöne darauf hin, dass eine große Einigkeit seiner Angestellten nicht auf seinen Vorteil hinausliefe, zumal er doch durch lange Zeiträume ortsabwesend sei. Es sei vielmehr zweckmäßig und nützlich, wenn er sich laufend und ernsthaft mit den Gegensätzlichkeiten seiner Angestellten beschäftige. Er selbst kam mit seinen Leuten regelmäßig gut aus. Dem Schafmeister gab er einen besonderen Auftrag. Auf einem Nachbargute hatte der Schwiegersohn des angesehenen Landwirtschaftsprofessors Julius Kühn die Zucht von Karakulschafen versucht und Karakulböcke mit Rhönschafen gepaart. Dr. Schöne ließ sich von diesem Gutsnachbar anregen. Ich sah in Kleindöbbern die ersten Hybriden aus dieser Kreuzung. Den Fellen fehlte noch der schöne tiefschwarze Glanz. In Deutsch-Südwestafrika hatten die Rauchwarenhändler (Pelzhändler) Thorer und Mertens, sowie der Geheime Ökonomierat Steiger-Leutewitz weit bessere Erfolge. Mit dem Schweinemeister, der seine Herde gleichfalls in der Feldflur hütete, hatte Dr. Schöne den Anstellungsvertrag ohne meine Mitwirkung geschlossen. Er hatte ihm für jedes "abgesetzte" Ferkel 50 Pfennig versprochen. Als Städter und Kaufmann verstand er unter "absetzen" das Verkaufen; er dachte an den Absatz im Handel. Der Schweinemeister legte aber das Wort im Sinne der Entwöhnung von der Muttersau aus und verlangte je eine halbe Mark für jedes Ferkel, das er von der Muttersau absetzte. Mir war aus der Leipziger Gegend das sogenannte Schwanzgeld geläufig. Die Magd oder der Knecht, aus deren Obhut ein Tier aus dem Betrieb veräußert wurde und hinausging, erhielt das Schwanzgeld, das bei Ferkeln 50 Pfennig betrug, bei Kälbern, Fohlen und ausgewachsenen Tieren 3,- Mark. Der veräußernde Landwirt bedang aus beim Kaufabschluss, dass der Erwerber das Schwanzgeld an die Magd bzw. den Knecht zahlte. Wir versuchten es beim Amtsgerichte in Cottbus mit einem Rechtsstreite. Der Schweinemeister siegte sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszuge.
Als ich im Dezember 1918 aus dem Ersten Weltkriege heimkam, hatte Dr. Hugo Schöne das Interesse an Kleindöbbern verloren und es verkauft.
Er pachtete eine Jagd bei Malchow in Mecklenburg und überließ die Geschäfte der chemischen Fabrik einem Sohn und einem Schwiegersohn, unter deren Leitung infolge unvorsichtiger Kreditgewährung bedeutende Verluste auftraten. Ich erfuhr das ganze Unglück erst nachträglich, als Dr. Schöne nach erfolgloser Pfändung zum Offenbarungseide geladen wurde.

1925, 1926
- Chemische Fabrik Dr. Hugo Schöne
- A. Spring, Benzinwerk Sachsen G.m.b.H.

1928, 1930, 1933, 1943
im Besitz der Leipziger Baumwollspinnerei, Spinnereistr. 7

aus dem Leipziger Adreßbuch 1949:
Wolfgang Dierschke BetriebsWirtschaftsler. Saalfelder Straße 6
Martha Fuchs Arbeiterin Saalfelder Straße 6
Anna Kresse Arbeiterin Saalfelder Straße 6
Elisabeth Mätzelt Saalfelder Straße 6
Lina Wadewitz Arbeiterin Saalfelder Straße 6
Alfred Zeibig Hausmeister Saalfelder Straße 6

nach 1990: Gästehaus Saalfelder Straße 6

danach: Leerstand

Quellen/Literatur/Weblinks zur Geschichte dieses Grundstücks:
- Adreßbuch und Warenverzeichnis der chemischen Industrie des Deutschen Reichs, Band 3, Mückenberger-Verlag, 1888
- Leipziger Adreßbuch 1891, 1895, 1900, 1905, 1908, 1914, 1925, 1926, 1928, 1930, 1933, 1949
- Adreßbuch der Reichsmessestadt Leipzig mit Markkleeberg, Böhlitz-Ehrenberg, Engelsdorf, Mölkau 1943
- Apotheker-Zeitung, herausgegeben vom Deutschen Apotheker-Verein, Zwölfter Jahrgang 1897, Berlin, Selbstverlag des Deutschen Apotheker-Vereins
- Rudolf Mothes, Erinnerungen, Teil D, Seiten 56-57 von 138
- Sammlung Lindenauer Stadtteilverein e. V.
> Planungsideen/Entwürfe für die Sanierung der Saalfelder Straße 6 und den Umbau zu Eigentumswohnungen
timoschnitzler.wixsite.com

Bildinhalt: Saalfelder Straße 6 im April 2015
Saalfelder Straße 6 im April 2015
 

aktuell:

2008-2021 Leerstand, Verfall, Vandalismus

Für den Herbst 2014 war die Fertigstellung von Eigentumswohnungen geplant. (Projektierung: SL-Baukultur GmbH & Co. KG Leipzig, Riemannstr. 31, 04107 Leipzig; Verwaltung: Schnitzler Immobilien)


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