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Häuserliste

Thüringer Straße 1-3

04179 Leipzig-Lindenau

Bildinhalt: Hinter den Mauern der Thüringer Straße 1-3 verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte. Hier arbeitete ab 1964 auch Georg Dertinger, der vormalige erste Außenminister der DDR.
Hinter den Mauern der Thüringer Straße 1-3 verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte. Hier arbeitete ab 1964 auch Georg Dertinger, der vormalige erste Außenminister der DDR.

Geschichte der Thüringer Straße 1-3 (zuvor: An der Südstraße)

1885 An der Südstraße 1
Roßhaarspinnerei K. W. Hänsel

1887 Thüringer Straße 1
Dampf-Roßhaarspinnerei Haensel

1889 Thüringer Straße 1
Dampfroßhaarspinnerei Hänsel

1904 Thüringer Straße 1/3
im Seitengebäude: Dr. A. Köpp, Chemisches Laboratorium

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Vasenol-Werke Dr. Arthur Köpp Leipzig W 33
Am 1. Oktober 1903 wurde in Leipzig die Firma Dr. Arthur Köpp als Unternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von Säuglings- und Hautpflege- präparaten gegründet. Sie benannte sich 1925 in Vasenolwerke Dr. Arthur Köpp um. 1930 besaß sie Niederlassungen bzw. Produktionsstätten in Aussig, Berlin, Danzig, Hamburg, München, Saarbrücken und Wien. Die Firma erlosch am 10. September 1930 unter gleichzeitiger Übertragung ihres Vermögens an die neu gegründete Vasenolwerke Dr. Arthur Köpp AG. 1937 erfolgte die Umwandlung in die Vasenolwerke Dr. Arthur Köpp KG.
Ein Bombenangriff am 4. Dezember 1943 zerstörte das Leipziger Werk fast vollständig. Die Produktion wurde daraufhin nach Röcknitz bei Wurzen verlagert. Nach Beendigung des Krieges 1945 erfolgte die Rückverlagerung nach Leipzig.
1945 zunächst unter Treuhandverwaltung gestellt, wurde die Firma auf der Grundlage des Volksentscheids vom 30. Juni 1946 enteignet und in Volkseigentum überführt. Der Betrieb hieß danach Vasenol-Werke Leipzig, Industrieverwaltung 26 Chemie. 1947 gehörte der VEB Vasenol-Werk Leipzig zur Vereinigung Volkseigener Betriebe/VVB Pharma. Der VEB Vasenol-Werk Leipzig führte nach 1962 die Betriebsbezeichnung
VEB Pharmazeutisches Werk Leipzig.
Reklame für Vasenol zeigt das Europäische Flakonglasmuseum in der Sammlung Monika Jürgens-Winefeld.

Der letzte Firmeninhaber, Heinrich Köpp, Sohn von Kommerzienrat Dr. Arthur Köpp, ging nach der entschädigungslosen Enteignung - sie betraf auch das seit 1917 in Familienbesitz befindliche Rittergut in Röcknitz - nach Oberndorf am Neckar in die damalige französische Besatzungszone (Vasenol-Werke Dr. Arthur Köpp KG, Oberndorf (Neckar)). Auch dort wurde die Marke "Vasenol" weiter hergestellt. Im Laufe der Zeit wurde die Firma mehrmals verkauft und ging schließlich in die "Unilever AG" über.

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Während der DDR-Zeit (seit September 1953) befand sich hier der
St. Benno-Verlag GmbH
7033 Leipzig
Thüringer Straße 1-3.
Zuvor nutzte er vorübergehend frühere Büroräume der Fa. Bohn & Sohn in der Saalfelder Straße 2-4 (Mai 1951-September 1953).
Nach der Angliederung des Cordierverlages 1974 als Außenstelle Heiligenstadt war der St. Benno-Verlag der einzige römisch-katholische Verlag auf dem Gebiet der DDR.

Hier, in der Thüringer Straße 1-3, arbeitete ab 1964 Georg Dertinger, der vormalige erste Außenminister der DDR (1949-1953), 1954 wegen »Verschwörung« und »Spionage« zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, nach seiner krankheitsbedingten "Begnadigung" und Entlassung aus der Stasi-Haft (1953-1964, Berlin-Hohenschönhausen, Brandenburg-Görden, MfS-Sonderhaftanstalt Bautzen II) als Lektor/Justitiar im St. Benno-Verlag. Von über elf Jahren Haft geschwächt, starb er am 21.1.1968 in Leipzig. Das Familiengrab befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof.
1991 Aufhebung des Urteils von 1954 durch das Berliner Landgericht wegen »Aussageerpressung und Rechtsbeugung«.

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1987
befand sich in 7033 Leipzig, Thüringer Straße 1-3, (neben Sankt-Benno-Verlag GmbH) auch der Produktionsbereich/PB 10/3 des
VEB Kraftfahrzeugbedarf Leipzig.
Hauptsitz dieses VEB (mit Verwaltung, Produktionsleitung, Ökonomie, Großhandel, Beschaffung und Absatz) war in der Alexanderstraße 4. Direktion und Hauptbuchhaltung saßen in der Reichelstraße 10.

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Quellen/Literatur/Weblinks:

- Adreß-Buch für Lindenau-Plagwitz und Neu-Schleußig 1885, 1887
- Adreß-Buch für Lindenau 1889
- Leipziger Adressbuch 1904
- Fernsprechbuch Bezirk Leipzig, Ausgabe 1987
- Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20704: Vasenolwerke Dr. Arthur Köpp, Leipzig
- Europäisches Flakonglasmuseum, Sammlung Monika Jürgens-Winefeld
- Sammlung Lindenauer Stadtteilverein e. V.
- Florian Georg Leupold: Die Geschichte des VEB Serum-Werk Bernburg von 1954 bis 1990 unter besonderer Berücksichtgung biogener Arzneistoffe. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.). Marburg/Lahn 2018 hier
- Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (Hrsg.): Verlage der Deutschen Demokratischen Republik. Leipzig 1985/1988
- Elisabeth Preuß: Die Kanzel in der DDR. Die ungewöhnliche Geschichte des St. Benno Verlages. 280 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-7462-1888-8
- cms.st-benno.de/der-verlag/chronik
- Heike Amos: Der Außenminister, der in Ungnade fiel. Georg Dertinger – Aufstieg und Fall eines christlich-konservativen Politikers in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, (2004) 15. – S. 3-16. hier
- Rudi Beckert: Die erste und letzte Instanz: Schau- und Geheimprozesse vor dem Obersten Gericht der DDR, Goldbach: Keip, 1995. ISBN 3-805-10243-7.
- Dertinger, Georg. In: Günter Buchstab (Hrsg.): Verfolgt und entrechtet: Die Ausschaltung Christlicher Demokraten unter sowjetischer Besatzung und SED-Herrschaft 1945-1961: Eine biographische Dokumentation. Düsseldorf: Droste, 1998. 561 S. ISBN 3-770-01086-8. S. 106.
- Christian Dertinger: Wo mag denn nur mein Christian sein? In: Wenn der Morgen einen neuen Tag verspricht. Hrsg. von Gottfried Hänisch. Weimar 2002, S. 189-199.
- Rudolf Dertinger: Sippenhaft in der DDR. In: Jugend und Diktatur. Verfolgung und Widerstand in der SBZ/DDR. XII. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Leipzig, 4. und 5. Mai 2001, Dokumentation. O. O., o. J. S. 87-91. ISBN 3-86077-452-2
- Jochen Franke: Der Fall Dertinger und seine parteiinternen Auswirkungen. Eine Dokumentation. In: Deutschland-Archiv 1992, S. 286-291.
- Georg Dertinger 1902-1968. In: Karl Wilhelm Fricke, Silke Klewin: Bautzen II. Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956-1989. Bericht und Dokumentation. Herausgegeben von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Sandstein-Verlag Dresden, 3. Auflage 2007, 320 S. (= Schriftenreihe der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer Politischer Gewaltherrschaft; Bd. 8), ISBN 978-3-940319-24-1 (ISBN-10: 3940319244), S. 188-189.
- Georg Dertinger. In: Susanne Hattig; Silke Klewin; Cornelia Liebold; Jörg Morré: Stasi-Gefängnis Bautzen II 1956-1989. Katalog zur Ausstellung der Gedenkstätte Bautzen. Herausgeber: Stiftung Sächsische Gedenkstätten 2018, S. 185. ISBN 978-3-95498-450-3 Blick ins Buch
- Hartmut Jäckel: Georg Dertinger und die Seinen. Wie die DDR ihren ersten Außenminister und dessen Familie in den fünfziger Jahren vernichten wollte: In: Die Zeit, Nr. 9/2003
- Franz-Josef Kos: Der Fall Dertinger und die Ost-CDU: Ein Stimmungsbild aus den Monaten Januar und Februar 1953. In: Historisch-politische Mitteilungen, 4 (1997). – S. 105-140.
- Peter Joachim Lapp: Georg Dertinger (1902 - 1968): Eine biographische Skizze. In: Repression und Haft in der SED-Diktatur und die "gekaufte Freiheit": Dokumentation des 14. Buchenwald-Gesprächs vom 22. bis 23. November 2004 in Berlin zum Thema "Häftlingsfreikauf" / Hrsg.: Buchstab, Günter. Sankt Augustin, 2005. S. 99-109.
- Peter Joachim Lapp: Georg Dertinger: Journalist - Außenminister - Staatsfeind. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau [u. a.] 2005, 331 S., mit Ill. ISBN 3-451-23007-0.
- Johann Georg Reißmüller: Am späten Abend kam die Stasi. Über Georg Dertinger, den ersten Außenminister der DDR. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.1.1991.
- Ernst Richert: Der Fall Dertinger und die DDR-Außenpolitik. In: Osteuropa. Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens, 1953, S. 187 ff.
- "15 Jahre Zuchthaus für Dertinger". In: "Der Tag" [Berlin (West)] vom 9. Juni 1954
- Joachim Scholtyseck: Handlungsbedingungen bürgerlicher Opposition in totalitären Staaten. In: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 18 (2006). S. 187-202. [Personen: Goerdeler, Carl Friedrich (1884-1945); Dertinger, Georg (1902-1968); Hamann, Karl (1903-1973)]
- Dertinger, Georg. Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?" Ein Lexikon ostdeutscher Biographien. Herausgegeben von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix. 5. Auflage, März 2010. Berlin: Ch. Links Verlag 2010.
- Dertinger, Georg. * 25.12.1902 ✝ 21.1.1968. In: www.kommunismusgeschichte.de
- Georg Dertinger. In: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Stasi-Gefängnis, Haftschicksale. www.stiftung-hsh.de/stasi-gefaengnis/haftschicksale/georg-dertinger

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Bildinhalt: Reklame für Vasenol-Puder, Paste, Creme und Seife.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung Europäisches Flakonglasmuseum, Sammlung Monika Jürgens-Winefeld.
Reklame für Vasenol-Puder, Paste, Creme und Seife. Quelle: Mit freundlicher Genehmigung Europäisches Flakonglasmuseum, Sammlung Monika Jürgens-Winefeld.
 

Zur Nachkriegsgeschichte von Familie und Firma Köpp ist im Europäischen Flakonglasmuseum (Sammlung Monika Jürgens-Winefeld) zu erfahren:

[...] Der letzte Firmeninhaber Heinrich Köpp, Sohn von Dr. Arthur Köpp, wurde am 17. August 1945 von der russischen Besatzungsmacht enteignet. [...]

Quelle:
- Europäisches Flakonglasmuseum, Sammlung Monika Jürgens-Winefeld.


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