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Häuserliste
William-Zipperer-Straße 74
04177 Leipzig-Lindenau
- Hermann Knaus, Architekt für Industrie, Landwirtschaft, Privat, Leipzig W 33, Lindenau, Leutzscher Straße 74. Quelle: Adreßbuch 1927
Hier wohnte Anna Niedermüller, Mitglied des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), ab 1894 Vorstandsmitglied der Leipziger Ortsgruppe des ADF, tätig im Leipziger Vorstand des Vereins der Kinderfreunde (Kinderschutz). Anna Niedermüller wurde 1854 als Anna Vogel in Plaue bei Augustusburg als sechstes Kind von Guido und Hildegard Vogel geboren.
In der damaligen Leutzscher Straße 74 (heute William-Zipperer-Straße 74) befand sich ab Herbst 1912 (und noch 1930) die Zweite Leipziger Säuglingskrippe (in der 1. und 3. Etage) des Leipziger Krippenvereins e. V.
1912 wurde der Leipziger Krippenverein begründet, um arbeitenden Frauen die Unterbringung ihrer Kinder zu ermöglichen und um der hohen Kindersterblichkeit entgegen zu wirken. In den für Deutschland vorbildlichen Kinderkrippen Crusiusstraße 15 in Leipzig-Reudnitz und Leutzscher Straße 74 in Leipzig-Lindenau wurden auch Säuglingspflegerinnen ausgebildet und, so sie vom Land kamen, fanden sie dort Internatsplätze. In der dritten Etage wohnte von 1913 bis 1921 auch Frau Dr. Anna Niedermüller, die sich im Krippenverein engagierte. Anna Niedermüller war auch im Allgemeinen Deutschen Frauenverein und im Leipziger Vorstand der Kinderfreunde tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie schwer krank und lebte von 1921 bis 1930 im Altersheim in der Lindenauer Lionstraße 11, einer städtischen Stiftung aus dem Nachlass von Carl Tauchnitz. 1930 bezog Anna Niedermüller ein Zimmer im privaten Sanatorium Hartheck des Dr. Schütz, einer psychiatrischen Anstalt für besser Situierte bei Gaschwitz. Dort starb sie 1936 im Alter von 82 Jahren.
Quellen/Literatur/Weblinks:
- Leipziger Adreßbücher 1910-1913, 1914, 1930
- Elisabeth Guhr: Ein genealogisches Abenteuer - viele Fragen, viele Antworten und noch mehr Fragen. Eine kleine Forschungsgeschichte. Veröffentlicht durch die Leipziger Genealogische Gesellschaft e.V. lesen
- Elisabeth Guhr: Anna Niedermüller (1854-1936) - ein Frauenleben, geprägt durch die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert. In: Henriette Goldschmidt und die Hochschule für Frauen zu Leipzig. Berichte vom 19. Louise-Otto-Peters-Tag 2011. Leipzig 2012. LOUISEum 32.
- Elisabeth Guhr: Anna Niedermüller - ein Frauenleben in Leipzig im 19. Jahrhundert. Beitrag auf www.leipzig-lese.de
- www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/frauenbewegung/frauenbewegung-portraets
> Lionstraße 11
In den 1980er Jahren lebten hier im Haus William-Zipperer-Straße 74 auch Elisabeth Franke (später Pfarrerin Elisabeth Franke-Schenk), seit 1979 Ephoralvikarin für den Kirchenbezirk Leipzig-West
und
Dr. Helmut Warmbier, ehemaliger Dozent für Marxismus-Leninismus am Franz-Mehring-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig.
Im Zusammenhang mit der Verbreitung des Textes der "Alternative" von Rudolf Bahro wurde ein »Operativer Vorgang« gegen Helmut Warmbier eingeleitet. Er wurde 1977 verhaftet und verurteilt. Er war im März 1974 nach 25 jähriger Parteimitgliedschaft aus der SED ausgeschlossen worden - weil er als Universitätsdozent Vorbehalte zum Lehrprogramm "Wissenschaftlicher Kommunismus" angemeldet hatte - und von der Universität entfernt.
DER SPIEGEL 43/1977 schrieb am 17.10.1977
"Ebenfalls Ende September drangen Mielkes Angestellte in die Wohnung des 48jährigen Helmut Warmbier in Leipzig ein. Die Staatsschützer durch- wühlten sämtliche Zimmer, doch was sie offenbar suchten, fanden sie nicht: ein Exemplar des Bahro-Buches. Warmbier, vor zwei Jahren von der SED gemaßregelter Gesellschaftswissenschaftler, kam in Haft."
Helmut Warmbier war während der Friedlichen Revolution als Mitglied des Neuen Forums aktiv, ab 1990 Stadtverordneter.
An Dr. Helmut Warmbier wurde 1999 die Ehrenmedaille der Stadt Leipzig verliehen (s. Foto).
Die Ehrenmedaille der Stadt Leipzig wird seit 1997 an Personen verliehen, die durch außergewöhnliche Leistungen insbesondere auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, kulturellem, sportlichem, sozialem, religiösem oder politischem Gebiet besondere Verdienste erworben und sich um das Gemeinwohl und das Ansehen der Stadt Leipzig verdient gemacht haben. Die Verleihung der Ehrenmedaille ist die zweithöchste Auszeichnung der Stadt Leipzig. Trägerinnen und Träger der Ehrenmedaille sollen nicht mehr als 25 lebende Personen sein.
Quellen/Literatur/Weblinks:
- Sammlung Lindenauer Stadtteilverein e. V.
- DER SPIEGEL 43/1977 vom 17.10.1977
- Guntolf Herzberg, Kurt Seifert: Rudolf Bahro - Glaube an das Veränderbare. Eine Biographie. Ch. Links Verlag, 2002, 656 Seiten, S. 235f.
- Carola S. Rudnick: Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989. transcript Verlag, 2014, 770 Seiten, S. 346
- Rita Sélitrenny: Doppelte Überwachung. Geheimdienstliche Ermittlungsmethoden in den DDR-Untersuchungshaftanstalten. Chr. Links Verlag, 2003, 517 Seiten (=Forschungen zur DDR-Gesellschaft)
- Liste der Trägerinnen und Träger der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig